Willkommen, liebe Leserinnen & Leser! Dies ist mein persönlicher Filmblog, ansonsten bin ich als Kritiker auch auf mannBEISSTfilm.de vertreten.

Samstag, 29. Oktober 2011

DRIVE (USA, 2011)


„I drive on her streets 'cause she's my companion“

(Red Hot Chili Peppers, „Under The Bridge“)

In DRIVE, dem neuesten Werk des dänischen PUSHER-Schöpfers Nicolas Winding Refn, verkörpert Oscar-Nominee Ryan Gosling einen namenlosen Fahrer aus L.A., welcher sich tagsüber seine Brötchen in einer Werkstatt oder als Stuntman in Actionproduktionen verdient, während er nachts den Fluchtwagen für anonyme, kriminelle Kunden fährt.

Der zwielichtige Spätjob lässt ihn kalt, solange seine Auftraggeber einige kleine, aber wichtige Regeln akzeptieren:
Das Zeitfenster für den Einbruch, Überfall, Mord oder was-auch-immer beträgt exakt 5 Minuten. Der Fahrer fährt - keinesfalls wird er während der Tat anwesend sein oder gar eine Waffe tragen.
Und er wird für den Auftraggeber nur einmalig unter seiner Telefonnummer erreichbar sein.








Sein Partner Shannon (Bryan Cranston aus BREAKING BAD) organisiert die Aufträge und Fluchtautos, aber er ist auch der vielleicht einzige Vertraute des einsamen Fahrers, den er selbst Kid getauft hat.
Nach seinen eigenen Angaben beutet er seinen Goldesel seit ihrem ersten Treffen aus, wie er augenzwinkernd der verletzlichen, alleinerziehenden Mutter Irene (Oscar-Nominee Carey Mulligan) mitteilt.

Irene ist die neue Nachbarin des Fahrers, der von Job zu Job und von einem kargen Apartment zum nächsten zieht. Ruhelos, wie auf der Flucht vor Irgendjemandem. Irgendetwas. Oder sich selbst.

Wenig erfahren wir als Zuschauer über den stillen Mann.
Was hat er in der Vergangenheit getan? Hatte er gar Familie?

Der Fahrer ist kein Freund großer Worte. Wenn er wütend wird, innerlich aufgeregt ist, wird seine Stimme bedrohlich leise...es wird für die Anwesenden gefährlich.

Gosling spielt diese Rolle mit einer hypnotischen, manchmal beängstigenden, Intensität. Die äußere Ruhe kämpft gegen innere Dämonen.
Wie schon in den Vorgängerfilmen HALF NELSON und BLUE VALENTINE haftet die Kamera aufmerksam an dem Mimen, fixiert seine Blicke und seine Gesten, die eine eigene Sprache sprechen.

Keine Frage, DRIVE ist in erster Linie ein Werk, das großen Wert auf seine Figuren legt und ganz bewusst das Drama (und die Romantik) dem Crime-Plot voranstellt.

Ursprüglich sollte die Geschichte, die auf einem Buch von James Sallis basiert, sogar in eine moderne Actionrichtung à la THE FAST AND THE FURIOUS gehen.

Zum Glück ist das Material letztlich doch in den Händen der richtigen Leute gelandet, die sich mit Ryan Gosling einen extrem begabten Charakterdarsteller ins Boot geholt haben, welcher dann auch gleich selbst die Wahl für Refn als Regisseur getroffen hat.

DRIVE ist in seinem letzten Drittel allerdings auch hartes, kompromissloses Kino, das obendrein durch dezente, handgemachte Actionszenen zu imponieren weiss.

Das Herzstück des Films ist jedoch die unterschwellige Liebesgeschichte zwischen Irene und ihrem mysteriösen Engel.
Irenes Mann Standard (Oscar Isaac) sitzt im Gefängnis. Die Botschaft seiner Entlassung zerrt kurz an der zarten Beziehung zwischen den zwei einsamen Seelen.

Standard kann nach Absitzen seiner Haftstrafe den Schatten seiner Vergangenheit nicht entfliehen. Finstere Gestalten suchen ihn in seinem Heim auf, schlagen ihn zusammen und drohen seiner Familie.
Der Fahrer mischt sich ein, bietet selbstlos seine Dienste für die Auslöschung von dessen Schuld an.

Doch der Plan gerät aus den Fugen: Er muss nun in den Kampf ziehen, um die ihm wichtigen Menschen zu beschützen...

Nicolas Winding Refn ist nicht nur ein begabter Regisseur, der es wie Quentin Tarantino blendend versteht, Zitate aus Jahrzehnten Kinogeschichte in einem aufregenden, neuen Film einzupflechten (Meisterwerke und Klassiker wie Jean-Pierre Melvilles DER EISKALTE ENGEL, Walter Hills DRIVER, Michael Manns DER EINZELGÄNGER und LEBEN UND STERBEN IN L.A. von William Friedkin blitzen u.a. in diesem Fall vor dem geistigen Auge auf), er besitzt ebenso wie der RESERVOIR DOG oder auch Michael Mann und Danny Boyle ein enormes Händchen dafür, die geschmackvollen Aufnahmen mit einem passenden, pulsierenden Soundtrack zu unterstreichen – eine Kunst für sich.

Neben den schauspielerischen Leistungen (neben Ryan Gosling und Carey Mulligan sollte in keinem Fall Albert Brooks als eiskalter Filmproduzent unerwähnt bleiben – eine Oscar-Nominierung als „Bester Nebendarsteller“ drängt sich auf) ist es natürlich Refns vitalem, spürbarem Inszenierungsstil (der Regisseur ist bekanntlich bereits in Cannes für seine Arbeit geehrt worden) zu verdanken, dass aus DRIVE dieser emotionale Rausch geworden ist, dem sein aktueller Hype mit Sicherheit nicht zu Unrecht widerfährt.

Zwischen Lovestory, Charakterdrama und blutigem Old-School-Actioner könnte man mutmaßen, dass DRIVE sowohl beim Arthouse- wie auch Mainstreampublikum einen schweren Start haben wird.
Doch zwischen den klapprigen Genremühlen hindurch wird sich dieses edle Gefährt seinen eigenen Weg bahnen und wohlmöglich als Erster am Jahresende über die Ziellinie schießen.

Irgendwelche Wetten dagegen...?







DRIVE (USA, 2011)
Regie: Nicolas Winding Refn
Drehbuch: Hossein Amini (nach dem Buch von James Sallis)
Kamera: Newton Thomas Sigel
Musik: Cliff Martinez
Produktion: Bold Films, Odd Lot Entertainment, Drive Film Holdings, Marc Platt Productions, Seed Productions 
Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Oscar Isaac, Christina Hendricks, Ron Perlman, Kaden Leos 
Länge: 100 min.
Website: http://www.drive-movie.com/





Ein Höreindruck:


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